Die These ist ganz einfach: Die Intellektuellen Amerikas wählen Barack Obama. Schaut man sich eine Landkarte der USA an mit den Wahlergebnissen zwischen Republikanern und Demokraten, dann hat man den riesigen „roten“ (republikanischen) Kern, von Florida über Texas bis ins ländliche Kalifornien, und von dort nach Norden, nach Idaho und Montana über die Dakotas und bis ins ländliche Pennsylvania.
Gut 80% der Fläche der USA gelten als „rot“, als Republikanerland. Dass Demokraten überhaupt eine Chance haben in diesem Land, verdanken sie den schmalen, aber dicht besiedelten Küstenstreifen im Nordosten, um die Großen Seen und am Pazifik. Der Begriff des Heartland, des Herzlands der USA war einmal ein beleidigter, republikanischer Aufschrei der Mitte gegen die Dominanz von den Küsten. Das war gestern. Heute wird das Land von einem Texaner regiert, der die konservativen Werte eben dieser Mitte vertritt und am liebsten in alle Welt transportieren würde.
Nun, wie jeder weiß, kann auch das bald „gestern“ sein. Das Land rüstet sich für einen neuen Pendelschlag, diesmal wieder zu den Küsten und den Demokraten. Und zu den Intellektuellen, die währen der 25 Jahre seit Ronald Reagans Amtsantritt im Schatten standen, sofern sie sich nicht wendig auf den Intellektualismus der Chicagoer Ökonomenschule oder die militärisch motivierte Forschung einließen. (Rund 50% der ausgebildeten Physiker in den USA stehen direkt oder indirekt im Verteidigungsdienst, sagt man.)
Die Intellektuellen hatten erstmal Ärger mit den christlichen Fundamentalisten, die die biologische Evolutionstheorie ablehnten. Streit gab es mit Reagan und Bush sowie dem „Gingrich-Kongress“ zu Clintons Zeiten über Umwelt- und Klimaschutz. Dann kam der Ärger mit christlich motivierten Forschungsverboten. Ganz generell sah die akademische Elite das republikanische Washington wie einen Bleimantel auf sich lasten: Teuer, arrogant, intellektuell fragwürdig. Wären da nicht die Privatuniversitäten mit ihren gigantischen Schatztruhen, die durch gerissene, auch spekulativ operierende Profi-Investoren um bis zu 30% pro Jahr vergrößert wurden, dann wäre das Land durch die Republikanerzeit akademisch stark zurück gefallen.
Aber jetzt hofft man an den Universitäten, dass sich die Zeiten ändern. Dass der laut Nobelpreisträger Joseph Stiglitz etwa 3 Billionen (tausend Milliarden) Dollar teure Krieg endlich ein Ende findet und Geld wieder in Besseres fließt. Und dass man als Akademiker wieder politisch frei atmen kann.
Legt man über die Rot-Blau-Karte Amerikas eine Karte der Universitätsdichte, so ist das fast die gleiche Karte: Wo die Universitäten sich häufen, ist die Farbe blau. Die Hauptfrage unter Intellektuellen ist also nicht, ob man die Demokraten unterstützt, sondern ob Hillary Clinton oder Barack Obama. Aber auch das scheint eine längst entschiedene Sache. Wenn man die Vorwahlen in Texas und Ohio anschaut, die hier natürlich ein riesiges Medienecho hatten, sieht man, dass Obama in Texas die universitätsreichen Großstädte Houston und Dallas gewann, während Hillary Clinton im ländlichen Bereich punktete; in Ohio ein sehr ähnliches Bild. Auch in New York und Kalifornien, beides Staaten, die Hillary Clinton gewann, hatte Obama in den Universitätsstädten (auch in Santa Barbara mit seinen fünf Nobelpreisträgern) eindeutig die Nase vorn. Barack Obama ist der Favorit in den intellektuellen Eliten des Landes.
Überlagert sind solche Ergebnisse davon, das in den Großstädten auch der Anteil der Farbigen größer ist, die ebenfalls Obama vorziehen, aber auch der Anteil der politisch engagierten jungen Wähler, – und das sind wiederum hauptsächlich Studenten und Studierte. Viele von ihnen hatten sich im letzten Vierteljahrhundert resigniert zurückgezogen, jetzt haben sie sich scharenweise wieder als Wahlberechtigte zu den Vorwahlen angemeldet.
Die Wahl ist noch längst nicht entschieden. Die Presse hat die Neigung, nur noch Negativnachrichten zu bringen, vielleicht weil die positiven keinen Neuigkeitswert mehr haben. Und so haben die rassistischen Dummheiten des Predigers Jeremiah Wright dessen früherem Bundesgenossen Obama schwer geschadet. Und Hillary Clinton’s Lügenmärchen aus Bosnien wird kräftig breitgetreten. Und so heißt es schon mancherorts, der Gewinner des sich hinziehenden Vorwahlkampfs unter den Demokraten, heiße John McCain. Und doch ist eines gewiss. Nach dem Ende der Ära Bush wird ein Aufatmen durch das Land mit den besten Universitäten der Welt gehen.
Im wesentlichen wortgleich abgedruckt in: Stuttgarter Zeitung Nr. 79, Freitag, 4. April 2008.