Erschienen am 01. Oktober 2016 in der Badischen Zeitung
BZ-INTERVIEW mit Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome, über Armut, Kapitalismus, die Energiewende und Prämien fürs Nicht-Kinderkriegen.
„FREIBURG. Der wachstums- und konsumkritische Club of Rome wird im kommenden Jahr eine grundlegende Kapitalismuskritik vorlegen und einen radikalen Umbau der Wirtschaft fordern. Der Ko-Präsident des internationalen Netzwerks von Intellektuellen fordert im Gespräch mit Ronny Gert Bürckholdt nicht weniger als eine neue Aufklärung. Die alte sei verkommen zu einer „Rechtfertigungslehre für grenzenlose Freiheit, Egoismus und Entstaatlichung. Das ist albern“, findet der Emmendinger.
BZ: Herr von Weizsäcker, der Club of Rome hat sich zurückgemeldet, und wieder sind ihm Schlagzeilen gewiss. Diesmal gibt es viel Kritik an der Idee, Frauen in den Industrieländern sollten eine Prämie von 80 000 Dollar bekommen, um sie vom Kinderkriegen abzuhalten. Denn die Kinder in Industrieländern verbrauchten zu viele Ressourcen. Dabei ist Kinderkriegen doch eine private Angelegenheit. Können Sie den Vorschlag nachvollziehen und verstehen Sie die Kritik daran?
von Weizsäcker: Beides. Der Vorschlag, die Bevölkerungsdynamik staatlicherseits zu beeinflussen, ist nicht neu. Wozu gibt es in Deutschland das Kindergeld und in China die inzwischen etwas gelockerte Ein-Kind-Politik? Wozu denkt ganz Afrika und die UNO darüber nach, wie man Mädchen und Frauen mehr Entscheidungsfreiheit darüber eröffnen kann, wie viele Kinder sie bekommen wollen? Der Vorwurf, der Club of Rome mische sich ungerechtfertigt in Privatangelegenheiten ein, ist daher abwegig. Der Staat tut das seit jeher, die Frage ist nur, in welche Richtung seine Politik zielt. Vor 200 Jahren, mit einer Milliarde Menschen, konnte man das Thema sich selbst überlassen. Heute, mit siebeneinhalb Milliarden, zusteuernd auf zehn Milliarden, und mit einem dramatisch gewachsenen Konsum, ist die Grenze erreicht, um einfach so weiterzumachen. Sonst zerstört der Mensch seine Lebensgrundlagen. Falsch war der Zungenschlag, der vor allem in der Presse transportiert wurde, und der so in dem Bericht gar nicht drinsteht, dass die Prämie auf Frauen in Westeuropa gemünzt wäre. Für Afrika und den Nahen Osten ist die Prämie viel wichtiger.“
Lesen Sie hier das vollständige Interview.